17. Marburger Nachtmarathon 2014

Nike+ Running App Screenshot Marathonlauf

Es ist vollbracht! Ich bin meinen ersten Marathon gelaufen. Wie es sich anfühlt? Nun, darüber bin ich mir selbst nach zwei Tagen Abstand noch immer nicht so im Klaren. Aber der Reihe nach. Die Vorzeichen hätten sicher günstiger sein können, immerhin traf Deutschland an diesem Freitag im WM-Viertelfinale auf die Franzosen. Außerdem kletterte das Thermometer im Tagesverlauf auf 30 Grad und erreichte damit den Topwert der Woche.

Um zumindest noch etwas von der ersten Halbzeit mitzubekommen, trafen wir uns bereits eine Stunde vor dem Startschuss auf dem Marktplatz. Leider gingen meine Kollegen vom Lauftreff fast ausnahmslos über die Halbmarathondistanz ins Rennen. Sich an ihnen zu orientieren, wäre also einem Himmelfahrtskommando gleichgekommen. Und obschon ich bereits zu Beginn ein langsameres Tempo anschlug, kam es mir doch so vor, als wäre ich trotzdem noch viel zu schnell unterwegs.

Als ich die erste Zwischenzeit auf’s Ohr bekam (2:59 min/km), wurde mir schlagartig bewusst, dass ich mich auf diese Ansagen heute nicht verlassen können würde. Obwohl ich beide Apps bereits lange vor dem Start eingestellt hatte, gab es offensichtlich Probleme mit dem GPS-Signal. Das machte es natürlich ungleich schwerer für mich. Ich musste mich also vollkommen auf mein Gefühl verlassen.

Nach etwa zehn Kilometern passierten wir nach längerer Zeit wieder einige „Biergärten“, in denen die Leute das Spiel schauten. Die reguläre Spielzeit musste fast vorüber sein und ich versuchte angestrengt, den Spielstand von einem Bildschirm abzulesen. „Immer noch 1:0 für Deutschland. Und jetzt weiter!“, rief mir ein Mädel in kompletter Fan-Montur und aufgemalten Flaggen auf den Wangen zu und klatschte dabei aufmunternd in die Hände. Ich musste lachen.

Marathonlauf

Bei meiner ersten Teilnahme an einem Volkslauf, wusste ich die Anfeuerungen der Zuschauer noch nicht so recht einzuordnen, aber mittlerweile genieße ich sie wirklich. Man sollte versuchen, die Emotionen aufzusaugen und sich von der Stimmung tragen zu lassen. Wie wertvoll das sein kann, bemerkt man gerade dann, wenn die Beine beginnen schwer zu werden.

Nach etwa 13 Kilometern – ich versuchte gerade angestrengt auszurechnen, wie schnell ich nun wirklich unterwegs war – geriet ich plötzlich ins Stolpern. Glücklicherweise konnte ich mich im letzten Moment so gerade noch abfangen und weiterlaufen. Was für eine Schrecksekunde. Ein Staffelläufer neben mir blickte sofort zu meinen Füßen und fragte etwas besorgt: „Läufst du etwa die ganze Zeit in den Flip-Flops?“ Na ja, umziehen wollte ich mich jetzt eigentlich nicht mehr. Aber klarstellen musste ich das trotzdem. „Ja, aber das lag jetzt nicht an den Sandalen. Ich hab einfach nicht aufgepasst.“

Tatsächlich ist der Radweg in diesem Streckenabschnitt in einem ziemlich schlechten Zustand, aber meine Unachtsamkeit hätte leicht ernste Konsequenzen nach sich ziehen können. Ich ermahnte mich also zur Konzentration. Etwa drei Kilometer später hielt ich erstmals an einer Verpflegungsstation. Bald darauf kramte ich in meiner Hosentasche nach einem meiner selbstgemachten Azuki Brownies. Noch nie zuvor hatte ich versucht, während des Laufens zu essen. Aber da ich bei einem solchen Tempo ausschließlich durch die Nase einatme, klappte das erstaunlich gut.

Azuki Brownies

Nach ca. 18 Kilometern holte ich einen Kollegen vom Lauftreff ein, der offensichtlich sehr mit sich zu kämpfen hatte. Ich sagte ihm noch, dass ich mit Sicherheit überpace, konnte mich aber auch in dem Wissen darum nicht entscheidend bremsen und zog bald darauf an ihm vorbei. Bevor ich auf meine zweite Runde ging, sah ich noch unseren Laufcoach ins Unistadion einbiegen. Spätestens da war mir klar, dass ich das Tempo unmöglich würde durchhalten können.

Es war nun spürbar leerer auf der Strecke. Entweder lief ich an total ausgepumpten Halbmarathonern vorbei oder wurde von deutlich schnelleren Staffelläufern überholt. Längst war ich auf mich allein gestellt. Die Alufolie, in die ich meine Azuki Brownies eingewickelt hatte, löste sich unter der äußeren Hitze und der Feuchtigkeit in meiner Tasche ab und klebte nun teilweise an den Brownies. Toll Toppitz! Wenn das Markenqualität sein soll… viel schlechter kann die Billigware wohl kaum abschneiden. Ich entfernte die Alufolienstücke so gut es eben ging und verzichtete in der Folge darauf, weitere Brownies zu essen.

Fortan hielt ich an jeder Station an, um zu trinken bzw. einen wassergetränkten Schwamm zur Kühlung mitzunehmen. In einer solchen Phase des Rennens, sind diese Stationen wie Oasen in der Wüste. Sie sind das nächste Ziel, das man vor Augen hat und sonst nichts. Aus diesem Grund bedanke ich mich auch jedes Mal bei dem Helfer, der mir gerade etwas reicht. Das ist glaube ich das Mindeste, was man als Läufer tun kann, um seine Wertschätzung und Dankbarkeit auszudrücken. Denn ohne die zahlreichen Helfer, die z. T. stundenlang an der Strecke stehen, wäre so ein Lauf einfach undenkbar.

Nach etwa 30 Kilometern griff ich erstmals auch zu einem Becher Cola. Für gewöhnlich trinke ich so gut wie nie Limonade, aber ganz ehrlich, diese Cola, oh mein Gott, diese Cola. Es war die vielleicht beste Cola, die ich jemals getrunken habe. Nie zuvor hat mir eine Cola so gut geschmeckt. Unmittelbar danach spürte ich einen Energieschub. Leider hielt die Wirkung nicht allzu lange und auch meine Meinung über die beste Cola relativierte sich schon beim nächsten Stopp, denn die Cola dort schmeckte mindestens genau so gut!

Mittlerweile waren kaum noch Zuschauer an der Strecke. Den wenigen, die dann noch da sind, ist man daher umso vebundener, bedankt sich für deren Unterstützung und klatscht auch gerne mal ab. Das setzt tatsächlich neue Kräfte frei. Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle übrigens auch noch einmal ganz herzlich bei meinen Online-Unterstützern, die meinen Lauf per LIVE Tracking verfolgt und mir unglaubliche 78! akustische Anfeuerungen gesendet haben. Vielen Dank! Die Cheers haben mir jedes Mal ein Lächeln geschenkt und neue Energien freigesetzt.

Runtastic LIVE Tracking Anfeuerungen

Kurz bevor ich auf meine letzte Runde ging, bemerkte ich eine Anspannung in meiner linken Wade. Wenn es sich so anfühlt, dann weiß man, eine falsche Muskelkontraktion und der Krampf ist da. „Nein, ich kriege jetzt keinen Krampf“, schrie ich innerlich und versuchte kurzfristig mehr mit dem Mittelfuß aufzutreten, um die Wade etwas zu entlasten. Die Angst vor einem Wadenkrampf sollte mich bis zum Ende begleiten.

Inzwischen kam ich mir vor wie ein Cola-Junkie. Ich konnte den nächsten „Schuss“ kaum erwarten. Gleichzeitig machte mich die Cola so durstig, dass weder die Verdünnung mit Wasser noch ein paar abschließende Schlücke Wasser den Durst lindern konnten. Ich war unheimlich durstig, aber zugleich drohte die viele Flüssigkeit im Magen zum Problem zu werden. Ein einsamer Streckenposten applaudierte mir. „Danke“, ächzte ich und bemerkte noch, wie sich der Streckenposten ob meiner Reaktion freute.

Auch die Online-Unterstützer legten jetzt noch einmal richtig los. Von ihren Anfeuerungen getragen, lief ich ins Unistadion ein. Sollte ich zum Schlussspurt ansetzen? Nein, ganz sicher nicht! Ich genoss die letzten Meter, in der Gewissheit gleich meinen ersten Marathon abzuschließen und überquerte die Ziellinie nach 3:31:11 Stunden (Netto 3:30:52). Ein tolles Gefühl. Das währte allerdings nicht lang. Als ich aufhörte zu laufen, setzte augenblicklich der Schmerz ein. Nachdem ich hastig ein paar Becher Wasser, Tee und Cola getrunken hatte, hielt ich meine Beine und Füße unter kaltes Wasser. Es half eigentlich kaum.

Marathonlauf

Meine Beine schmerzten unglaublich und ich begann mittlerweile auch aufgrund der Kälte zu zittern. Ich kann mich nicht daran erinnern, mich physisch jemals so miserabel gefühlt zu haben. Am liebsten hätte ich mich einfach nur hingelegt. Stattdessen musste ich mich aber noch ca. zwei Kilometer nach Hause schleppen. Allein der Gedanke daran, bereitete mir weitere Schmerzen. Zu allem Überfluss begann es schließlich auch noch zu regnen. Auf den letzten Metern vor der Haustür glaubte ich aber, mich sogar wieder etwas besser zu fühlen.

Beim Ausziehen der Huaraches ereilte mich jedoch ein fieser Krampf im Oberschenkel. Ich schaffte es noch so gerade, mich der nassen Klamotten zu entledigen und legte mich dann erstmal auf die Yogamatte vor den Fernseher. Regungslos verfolgte ich dort die zweite Halbzeit Brasilien gegen Kolumbien. Nach der Dusche ging es mir schon wieder etwas besser und nach einer Schale Müsli noch ein bisschen besser. Dennoch fühlte ich mich nicht dazu in der Lage, so etwas wie Stolz oder gar Freude zu empfinden. Völlig entkräftet, schleppte ich meinen geschundenen Körper ins Bett. Ich schlafe jetzt erst einmal ein paar Tage…

3 Kommentare

  1. ich sah mich leider gezwungen, einen kommentar zu diesem post zu entfernen. natürlich herrscht hier freie meinungsäußerung, plumpe (eigen)werbung wird allerdings nicht toleriert.

  2. danke! du bist einen 100 km ultra gelaufen? das ist ja wahnsinn! seit ich den marathon gelaufen bin, ist mein respekt vor ultras noch einmal immens gewachsen. du hast also meinen allerhöchsten respekt! 🙂

    nach dem marathon war ich mir nicht mal sicher, ob ich so etwas noch einmal durchstehen kann oder will. es hat echt tage, ja wochen gedauert, bis der spaß am laufen zurück gekommen ist.

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