Es ist nun schon ein paar Wochen her, aber ich wollte euch meinen letzten Race-Report vom Tag der Deutschen Einheit dann doch nicht vorenthalten. Ursprünglich wollte ich eigentlich nur die offiziellen Fotos vom Lauf abwarten, aber es scheint, als wäre der Köhlbrandbrückenlauf die bisher einzige Laufveranstaltung, an der ich teilgenommen habe, bei der keine individuellen Bilder von den Läufern gemacht werden. Irgendwie ziemlich seltsam und auch enttäuschend.
Da ich mich relativ spontan dazu entschieden hatte, fünf Tage nach dem Alstertal Halbmarathon noch an diesem Lauf teilzunehmen, konnte ich mich nur noch für den zweiten Lauf am Nachmittag anmelden (der erste findet um 12 Uhr statt). Die unterschiedlichen Startzeiten haben sicherlich den Vorteil, dass es etwas entzerrt wird. Erreichbar ist der Windhukkai allerdings nicht ganz so schön. Vom S-Bahnhof Veddel sind es noch gut zwei Kilometer bis zum Start-/Zielbereich. Der ganze Weg dorthin war praktisch voll von Menschen. Die einen gingen von ihrem Lauf gerade nach Hause, die anderen kamen zum zweiten Lauf.
Ich entschied mich mal wieder dafür, mit dem Rad zu fahren. Die elf Kilometer waren so schneller und auch irgendwie angenehmer zu bewältigen als mit der S-Bahn. Das Wetter war hervorragend, vielleicht sogar schon ein bisschen zu warm. Das hielt die Veranstalter aber nicht davon ab, Lou Richter als Anheizer (oder sollte ich Animateur sagen?) auf die Läufer loszulassen.
Na ja, ihr wisst schon, wie so etwas abläuft. „Ihr seid mir viel lieber als die erste Startgruppe, aber könnt ihr auch lauter sein? … jetzt mal nur die aus dem Postleitzahlenbereich 3… wo ist das überhaupt? Hessen? Und jetzt hebt doch alle mal die Arme!“ – Beim Alstertallauf wurde ich schon von einer unglaublich penetranten Frau am Mikro genervt, deren schrille Stimme mal so überhaupt nicht mikrotauglich war. Aber das hier war kaum besser. Wenn ihr auf Runner’s World Fotos (145-147/197) vom Startblock seht, ich bin der, der die Hände nicht gehoben hat.
Mir gehen dieses ganze Drumherum, die Beschallung, die Kinderbespaßung und eben diese Animateure wirklich ziemlich auf den Senkel und es hat für mich einfach mal so gar nichts mit dem eigentlichen Sinn der Veranstaltung zu tun. Denn so fragt man sich schon, ob das eine Poolparty in einer Hotelanlage auf Ibiza ist oder eine Laufveranstaltung.
Dann ging es aber endlich los, auf die zwölf Kilometer lange Strecke, 3,6 Kilometer davon über die zweitlängste Straßenbrücke Deutschlands. Irgendwie hatte ich sehr früh das Gefühl, dass das hier anstrengender werden würde, als der Halbmarathon fünf Tage zuvor. Denn ganz offensichtlich hatte sich mein Körper noch nicht wieder vollständig regeneriert. Die Beine waren noch sehr schwer. Es sollte einer dieser Läufe werden, bei denen man sich permanent fragt: „Wie weit ist das bloß noch?“.
Die eigentliche Brücke erreicht man erst nach ca. vier Kilometern, doch auch vorher kann man schon den ein oder anderen schönen Blick auf Hamburgs Hafen erhaschen. Wenn man sich die Brücke so anschaut, sollte man es gar nicht für möglich halten, aber der Anstieg bis zum Scheitelpunkt ist wirklich nicht ohne. Und es ist nicht gerade so, als könne man die Luft dort genussvoll inhalieren. Oben angekommen wird man dann aber mit einer traumhaften Aussicht belohnt. Einige Läufer halten sogar an, um Fotos zu schießen.
Tatsächlich gibt es die Möglichkeit dazu ja nur zwei Mal im Jahr. Denn nur beim Köhlbrandbrückenlauf und den Cyclassics ist die Brücke autofrei und überhaupt zugänglich für Läufer, respektive Radler. Dieser Ausblick bietet sich einem also nicht alle Tage. Und dann noch bei strahlendem Sonnenschein. Doch auch wenn ich stets Augen für schöne Dinge habe, in diesem Falle geht der sportliche Ehrgeiz vor. Mir käme es niemals in den Sinn, während eines „Wettkampfes“ anzuhalten, um ein Foto zu schießen. Es fällt mir schon schwer, so etwas bei ganz gewöhnlichen Freizeitläufen zu tun.
Kurz hinter der Brücke lief man eine kleine Schlaufe, um dann auf der anderen Straßenseite ein zweites Mal auf die Brücke zu gelangen. Meine Kräfte ließen bereits merklich nach und ich war schon etwas enttäuscht, ob meiner eigenen Verfassung. Ich war kaum schneller unterwegs als beim Alstertallauf, obwohl die Strecke neun Kilometer kürzer ist.
Kurz nachdem ich die Brücke ein zweites Mal hinter mir gelassen hatte, schloss ein Läufer zu mir auf. Es dauerte eine ganze Weile, ehe er sich auf meiner Höhe befand, doch unmittelbar danach, zog er rechts rüber und lief praktisch in mich hinein. Er entschuldigte sich zwar sofort, aber diese Dummheit schrie einfach nach Tadel. „Das war aber auch sehr clever!“, sagte ich. Und da fragt diese Blitzbirne doch glatt zurück: „Wieso?“ – „Na weil die Straße zwei Fahrbahnen breit ist und du, obwohl du nur ein My schneller läufst, irrsinnigerweise einfach rüberziehst! Seien wir mal ehrlich, das war nicht gerade eine kognitive Sternstunde von dir.“
Klar, die Luft hätte ich mir auch sparen können, aber ich reagiere einfach allergisch auf Dummheit. Im Übrigen war er gerade so viel schneller, dass er sich auf einem Kilometer ganze zehn Meter von mir absetzen konnte. Da kann man sich ausmalen, wie lange der Überholvorgang gedauert hat.
Der interessante Teil der Strecke lag nun hinter mir und ich sehnte nur noch die Ziellinie herbei. Diese überquerte ich schließlich nach 52:29 Minuten als insgesamt 82. (von beiden Läufen). Es war sicherlich nicht meine beste Leistung, aber ein schöner Lauf war es allemal. Im Ziel entschuldigte sich der Rüpel übrigens noch einmal bei mir. „Es war echt keine Absicht!“ Das Schlimme ist, das glaube ich ihm sogar. Aber gerade das ist ja ein unverkennbares Zeichen von Dummheit…
Glücklicherweise trifft man aber auch immer wieder nette und interessante Leute, wie z. B. Philipp und Carlos. Die beiden hatten mich schon beim Start auf meine HuarachesTraditionelle mexikanische Sandalen aus präkulumbischer Zei... More angesprochen. Nun tauschten wir uns noch bei ein paar Bier aus. Wie sich herausstellte, sind die beiden völlig sportverrückt, laufen einen Marathon in unter drei Stunden und nehmen auch an Triathlons teil. Dafür stehen aber auch ca. 15 Stunden Training pro Woche auf dem Plan. Beeindruckend!
Für mich war das voraussichtlich der letzte Volkslauf in diesem Jahr. Jetzt, wo die kalte und dunkle Jahreszeit kommt, hoffe ich eigentlich nur, von Verletzungen verschont zu bleiben. Das war im letzten Jahr nämlich leider anders. Wir werden sehen…
Danke für deinen interessanten Erlebnisbericht. Für mich ist der Köhlbrandbrückenlauf jedes Jahr ein Highlight. Was ganz spezielles. Beschallung und Bespassung, Musik und Rahmenprogramm gehören irgendwie dazu. Und Lou Richter gefällt mir dabei immer sehr gut. Wie er die Leute, die zum Teil sehr kaputt ins Ziel kommen empfängt, ist klasse .