Im Test: Vibram FiveFingers KMD Sport

FiveFingers KMD Sport

Dies ist ein Gast-Beitrag. Sascha hatte mich gebeten, meine gesammelten Eindrücke zum Vibram FiveFingers KMD Sport auf seinem Blog zu präsentieren. Dieser Bitte komme ich gerne nach, und auch in Zukunft werde ich in unregelmäßigen Abständen den ein oder anderen Blog-Eintrag beisteuern.

Nachdem ich im letzten Jahr auf das minimal running aufmerksam geworden war, hatte ich mir aus Neugier die Nike Free 3.0 V3 geholt, hab ein paar Monate trainiert und bin dann einen Halbmarathon gelaufen. Die Free sind super, und man könnte meinen: Never change a running system (*Wortspiel beabsichtigt). Aber wenn weniger schon gut ist, muss dann noch weniger nicht noch besser sein? Der logische nächste Schritt war also, auf die recht dicke Sohle zu verzichten. Statt wie Sascha zu Sandalen zu greifen, habe ich mich für den Vibram FiveFingers KMD Sport entschieden. Um es vorweg zu nehmen: Es war eine gute Entscheidung!

Der KMD Sport (vormals: Komodo Sport) ist im Grunde eine Mischung aus verschiedenen VFF-Modellen. Er hat eine dickere, festere und weniger flexible Sohle als die Klassiker (Classic, KSO und Konsorten). Im Gegensatz zum Bikila (dem eigentlichen Running-Modell) hat der KMD Sport eine herausnehmbare Innensohle und einen zweiten Klettverschluss an der Ferse. Letzteren halte ich für extrem praktisch, weshalb ich mich beim Kauf gegen den Bikila entschlossen habe. Mittlerweile führt der Hersteller die KMDs zwar nicht mehr in der Running-Sparte, aber es sei versichert: Man kann damit ganz prima laufen. Optisch sind die KMD zudem sicherlich eines der coolsten Modelle in Vibrams Sortiment.

Beim Kauf hatte ich mir zwei Modelle zum Anprobieren bestellt. Nach Vibram-Größentabelle hätte ich die VFF eine Nummer kleiner nehmen sollen. Allerdings führte das bei mir zu klaustrophobischen Zuständen im Zehenraum. Dabei waren die Zehen vorne angestoßen und konnten sich nicht voll ausstrecken. Deshalb trage ich jetzt meine normale Schuhgröße in den VFF. Hier gilt die Faustregel: So eng wie möglich, aber es muss angenehm bleiben.

Das Anziehen muss man erstmal ein bisschen üben, aber man lernt ziemlich schnell in die „Zehenfächer“ reinzukommen. Das Gefühl, etwas zwischen den Zehen zu haben, könnte für einige recht seltsam anmuten. Was beim Laufen für angenehme Spreizung und Flexibilität der Zehen sorgt, ist im Alltag gewöhnungsbedürftig. Für mich ist dies auch der maßgebliche Grund, warum ich in der Freizeit lieber andere Schuhe anziehe.

FiveFingers KMD Sport

Viele Händler liefern gleich die passenden Socken mit, und im Laden darf man die VFF meistens nur mit Zehensocken anprobieren. Das ist schade, denn die Barfußschuhe fühlen sich am besten barfuß an. Außerdem sollten sie ja möglichst wenig Spielraum lassen. Ein Paar dieser kuriosen Socken zu kaufen ist trotzdem keine schlechte Investition, da es mir im Winter ansonsten in den KMD schlicht zu kalt wird.

Und wie läuft es sich mit den VFF? Ersteinmal deutlich anders als mit den Nike Free (und normalen Laufschuhen sowieso). Der Tragekomfort beim Laufen ist recht hoch. Durch das elastische Obermaterial und das extrem niedrige Gewicht (204 Gramm, Größe 43) trägt man einen Hauch von Nichts an den Füßen. Neben der Zehenfächer-Geschichte erzeugt das „Zero Drop“-Design den größten gefühlten Unterschied. „Zero drop“ bezeichnet eine Sprengung von 0 Millimetern, also die Tatsache, dass Ferse und Zehen auf einer Höhe liegen. Sehr ungewohnt!

Mein Eindruck war, dass durch diese flache Fußausrichtung zu einem enormen Trainingseffekt in der Waden- und Fußmuskulatur führt. Und dementsprechend auch anfangs zu heftigem Muskelkater. Ich bin jetzt ungefähr hundert Kilometer mit den VFF gelaufen. Dabei habe ich die Laufdistanz sehr langsam gesteigert. Das radikale Design nötigt den Körper zu starken Umstellungen. Laufen in VFFs hat bei mir insbesondere die Waden, die Achilles-Sehne und das Fußgewölbe sehr stark beansprucht (und das, obwohl ich vorher schon in den Free etliche hundert Kilometer gesammelt hatte). Hier gilt beim Umstieg also: Vorsicht an der Bahnsteigkante!

Die Außensohle bietet dank cleverem Profil hervorragenden Grip auf jedem Terrain. Sogar im Schnee bin ich nicht ins Rutschen gekommen (aber die Füße werden verdammt kalt und nass). Die Sohle kommt einem zunächst recht starr vor (verglichen mit klassischen VFFs), aber sie gewinnt nach einigen Läufen deutlich an Flexibilität. Vor allen Dingen ist sie aber sehr, sehr dünn (4 mm). Man merkt jeden Stein, jede Wurzel, jede Unebenheit. Dadurch meide ich hin und wieder einige schöne aber holprige Strecken. Das Mehr an Minimalismus bedeutet in diesem Fall ein Weniger an Unbekümmertheit. Oder anders gesagt: Man vergisst, dass man Schuhe trägt, erinnert sich aber wieder, dass es einen Boden unter den Füßen gibt. Hängt aber sicherlich auch davon ab, wie hart man im Nehmen ist.

Ansonsten gibt es aber wirklich nichts zu meckern. Das Laufgefühl ist sehr frei und leicht, nichts scheuert oder drückt. Ich hatte bislang nicht mit Blasen oder Druckstellen zu kämpfen. Zwischen den KMD Sport und Barfußlaufen liegt nicht viel. Das Material zwischen den Zehen vergisst man ziemlich schnell, sobald man einmal losgerannt ist. Der Sitz ist fantastisch. Man kann mit den KMD ohne weiteres rückwärts oder seitwärts laufen, abrupt die Richtung wechseln, herumspringen… Wo man im normalen Laufschuh abrutschen oder abknicken könnte, sitzen die KMDs bombensicher am Fuß. Das macht sie auch geeignet für eine ganze Reihe anderer Sportarten. Für den Gang ins Fitness-Studio sind sie also auch eine prima Alternative zum allgegenwärtigen Nike Free (Tipp: Einfach mal beim Schuhhändler des Vertrauens ein paar Liegestütze in den FiveFingers absolvieren).

Zudem scheinen sich die Dinger immer mehr an meine Anatomie anzuschmiegen. Seit ca. dem 50. Kilometer fühlt sich der Schuh noch passender an und die leichte „Abfederung“ durch die Innensohle ist verschwunden. Wer absoluten Minimalismus sucht, aber nicht auf Sandalen steht und immer noch ein bisschen Schutz sucht, ist bei dem KMD Sport am richtigen Schuh. Allerdings lohnt sich die Anprobe anderer VFF-Modelle, bspw. wenn man eine Sohle sucht, die flexibler (KSO, SeeYa, Sprint) oder für Trail-Running (TrekSport) geeignet ist.

Eine zentrale Frage zum Schluss: Wie sozialverträglich sind die FiveFingers? Ich habe am Anfang das schlimmste befürchtet, und bin nun fast etwas enttäuscht. Mein Eindruck ist, dass niemand auf die VFF starrt, und einen Kommentar habe ich auch noch nicht bekommen. Entweder bemerkt also niemand diese „Schuhe“, oder es ist den Leuten wirklich egal. Das wundert mich insofern, als dass man die VFF noch sehr selten in Deutschland sieht. Ganz anders in den USA, wo ich schon letztes Jahr sehr viele Leute in FiveFingers (und andere Minimalschuhen) beobachtet habe. Allerdings hängt es womöglich auch davon ab, wo man läuft. Hier in der Großstadt sind die Leute eh einiges gewohnt. In ländlichen Gebieten dürfte man mit dem Zehenschuh für deutlich mehr Furore sorgen…

Update (24.04.2014): Wie an anderer Stelle nachzulesen war, sind wir am letzten Wochenende beim Paderborner Osterlauf angetreten. Nach über einem Jahr mit den VFF ist der erste Halbmarathon in den Schuhen wohl ein guter Zeitpunkt für ein kleines Update.

Nachdem ich mit 1:50h meine persönliche HM-Bestzeit geknackt und dabei keinerlei Verletzung davon getragen habe, kann ich wohl mit Nachdruck behaupten, dass mir der Schuh-Minimalismus nicht geschadet hat. Im Gegenteil: In traditionellen Laufschuhen hatte ich immer wieder Knieprobleme. Mit den Nike Free 3.0 ging es schon um einiges besser, aber nach dem SWB-Halbmarathon 2012 in Bremen hatte ich dann doch einige Tage lang Schmerzen in den Knie. Ganz anders mit den FiveFingers KMD Sport: Außer einem ordentlichen Muskelkater in den Waden hat der Osterlauf (immerhin 21 km auf Asphalt) bei mir zu keinerlei Beschwerden geführt. Die lange Eingewöhnungsphase hat sich also doch ausgezahlt.

Wichtig wäre wohl auch noch anzumerken, dass die VFF nach mehreren hundert Kilometern noch keine großen Verschleißerscheinungen zeigen. Das Material, die Sohlen und die Nähte sind in tadellosem Zustand. Auch die Klettverschlüsse kleben noch wie am ersten Tag. Das Stichwort Klett führt mich dann zu guter Letzt zu einem kleinem Tipp für alle die mit Vibrams beim Volkslauf starten wollen: Der ChampionChip, der häufig zur Zeitnahme eingesetzt wird, kann problemlos am Seitenklettverschluss angebracht werden.

 

Typ Zehenschuh
Sohlenstärke 4 mm
Sohlentyp Messerschnittprofil
Sprengung 0 mm
Fußbett 3 mm
Gewicht 204 g
Preis ca. 130 Euro (Stand: Juni 2013)

Pros

  • hoher Tragekomfort
  • absolut sicherer Sitz (dank Klettverschlüssen)
  • guter Grip auf jedem Untergrund
  • geringes Gewicht
  • herausnehmbares Fußbett

Cons

  • Zehentrennung kann (anfangs) etwas unangenehm sein
  • recht starre Sohle
  • nicht sonderlich alltagstauglich

5 Kommentare

  1. danke, dass du da mal ein bisschen licht in die produktpalette gebracht hast! bei ca. 30 unterschiedlichen modellen, kann es schon schwer fallen, da noch durchzublicken.

    ich frage mich übrigens, ob die zehenfächer auch für solche noch bequem zu tragen sind, bei denen der zweite zeh länger ist, als der erste. 😉

    1. Ich glaube eigentlich nicht, dass das ein Problem sein sollte, solange die Zehen einigermaßen proportional sind. Aber Leute (oft: Frauen) mit sehr kurzen Zehen haben in den VFF ein Problem. Da könnte Vibram mal Abhilfe schaffen..

      Was die Produktpalette angeht: Die US-Homepage ist jetzt ordentlich sortiert. Dort sieht man, welches Modell für welchen Zweck geeignet ist. Allerdings gibt es dort die Classics nicht mehr. Vielleicht sollte ich mir die noch schnell in Europa holen, bevor sie verschwinden… 🙂

  2. Hallo, welches Modell würdest du für wechselnden Untergrund empfehlen?
    Am liebsten wären mie zwar die Spyridon gewesen, aber die passen mir leider nicht. Ich habe mal einen KSO Trek Sport, SPyridon und KMD, aber LS in den Händen gehabt und empfand die KSO Sohle härter und fester, als die des KMD.

    Zudem sehe ich auf einer Internetseite ein KMD Modell(Damen und nicht LS), aber das kostet um die 140 Euro. Ist das nicht zu viel?

    Eine baldige Antwort wäre sehr nett 🙂 Danke auch für den Bericht, so etwas habe ich gesucht.

    1. da ich nicht autor dieses posts bin und mich auch nicht bei den vffs auskenne, kann ich dir leider nicht weiterhelfen. es sei denn, du möchtest es doch noch eine spur minimalistischer mit sandalen wagen… 😛

      wegen deines ursprünglichen anliegens habe ich benny jedoch bereits kontaktiert und hoffe, dass er die zeit findet, dir in kürze zu antworten.

    2. Sorry für die riesige Verspätung. Es war ein langer Urlaub..

      Ich kann Dir da vermutlich auch nicht viel weiterhelfen, da ich nur die KMD nutze. Allerdings scheint mir der KMD ein ganz guter Kompromiss für Allrounder zu sein. Die dünneren VFF-Sohlen (die Classic mit den Lamellen) erscheinen mir ungeeignet für alles was ein bisschen steiniger wird. Wenn Du allerdings Trail Running betreiben willst, dann könnte selbst der KMD etwas zu wenig Schutz bieten.

      Was den Preis angeht.. Ja, 140 Euro sind viel. Ich habe mein Paar in einem Sonderangebot für 75 Euro erstanden. Allerdings ist der normale Vibram-Preis auch 129 Euro. Kein günstiger Schuh..

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